Therapien, die auf das genetische Profil der Erkrankten zugeschnitten sind: Bei bestimmten Krebserkrankungen gibt es das schon heute. In den nächsten Jahren wird solche Präzisionsmedizin die Diagnose und Therapie immer mehr bestimmen. In Südtirol treibt Eurac Research mit dem Zentrum für Biomedizin die Gesundheitsforschung in diese Richtung voran. Welche neuen Wege sich für die weitere Entwicklung der Forschung und die medizinische Praxis auftun, diskutierten die Wissenschaftler auf einem zweitägigen Kongress mit internationalen Pionieren der Präzisionsmedizin.
Neue Art der Therapie bei Krebserkrankungen auf dem Vormarsch
Das Risiko an Krebs zu erkranken hängt eng mit der individuellen genetischen Veranlagung zusammen. Forscher wissen heute immer genauer, welche genetischen Veränderungen sich wie auf Erkrankungen auswirken. Gerade bei Brust-, Lungen- und Hautkrebserkrankungen sind Ärzte heute in der Lage, das Erbgut einer Krebszelle auf spezielle Veränderungen hin zu analysieren und auf den Patienten zugeschnittene Therapien auszuwählen. „Früher hat man eine Reihe von Chemotherapeutika ausprobiert und standardmäßig versucht, den Tumor damit zu bekämpfen. Heute kann man das Genom von Krebszellen sequenzieren und aufgrund dieser Analyse Medikamente gezielter einsetzen. Diese Art der Medizin, die Präzisionsmedizin, ist die Zukunft, die bereits begonnen hat“, erklärt der Neurologe Peter Pramstaller, Leiter des Zentrums für Biomedizin von Eurac Research.
Genetische Ursachen für Herzstillstand in Südtirol erforscht
Das Zentrum für Biomedizin von Eurac Research erforscht gemeinsam mit Ärzten des Südtiroler Sanitätsbetriebs bessere Behandlungsmethoden für Patienten mit einem hohen Risiko für Herzstillstand. So werden den Risikopatienten, die schon einen Herzinfarkt erlitten oder gravierende Fehlfunktionen haben, kleine Defibrillatoren – elektrische Schockgeber – implantiert. Diese erkennen Herzrhythmusstörungen und lösen bei einem Herzstillstand automatisch elektrische Impulse zur Wiederbelebung aus. Es hat sich in der Vergangenheit jedoch gezeigt, dass sieben von zehn Patienten diese implantierten Defibrillatoren schlussendlich gar nicht brauchen. Eine Studie von Eurac Research in enger Zusammenarbeit mit Kardiologen der Krankenhäuser Bozen und Trient untersucht derzeit, welche genetischen Faktoren das Risiko für einen Herzstillstand erhöhen. Diese zusätzlichen Informationen können künftig bei der Auswahl der Patienten, denen ein Defibrillator eingesetzt werden soll, eine große Rolle spielen und die Zahl der Patienten verringern, die das Gerät implantiert haben ohne es wirklich zu brauchen. „Präzisionsmedizin ist keine Zukunftsmusik; wir befinden uns in Südtirol jetzt an einem Startpunkt. In den nächsten Jahren wird unser ganzes medizinisches Handeln immer mehr in Richtung Präzisionsmedizin gehen und spürbare Auswirkungen auf die tagtägliche Diagnose und Behandlung haben“, sagt Pramstaller.
Voraussetzungen für Präzisionsmedizin in Südtirol sind geschaffen
Die Forscher von Eurac Research haben weltweit anerkannte Entdeckungen zu genetischen Ursachen unter anderem für den plötzlichen Herztod, für Nierenleiden und das Syndrom der „unruhigen Beine“ beigesteuert. Das Forschungszentrum hat in Bozen Süd ein Labor mit modernster Technologie aufgebaut, das Genom- und molekularbiologische Forschung ermöglicht. Im Zentrum für Biomedizin das gemeinsam mit dem Südtiroler Sanitätsbetrieb gegründet wurde, arbeiten Statistiker, Informatiker, Biologen und Krankenhausärzte eng zusammen, vernetzt mit internationalen Konsortien. „In Südtirol haben wir die Voraussetzungen für die Präzisionsmedizin geschaffen. Jetzt geht es darum, Impulse für den weiteren Weg mit den Vorreitern weltweit zu nutzen“, bekräftigt Peter Pramstaller vom Zentrum für Biomedizin das den internationalen Kongress „The road to the future: biomedical research paving the way towards precision medicine“ in Bozen anlässlich seines 15jährigen Bestehens organisiert hat.
Der Kongress wurde von der Stiftung Südtiroler Sparkasse unterstützt.
25.11.2016